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Vertrauensarbeitszeit und Zeiterfassung – geht das überhaupt?

Erstellt von Karla Terhaar | | Zeiterfassung

Arbeiten auf Vertrauensbasis gehört zu den beliebtesten Arbeitszeitmodellen in Deutschland. Nun hat das Bundesarbeitsgericht geurteilt, dass die Arbeitszeiten von Arbeitnehmenden in jedem deutschen Unternehmen erfasst werden müssen. Ist das nicht ein Widerspruch zur Vertrauensarbeitszeit? Ist die Vertrauensarbeitszeit jetzt tot? Wir beantworten dir in diesem Blogartikel nicht nur diese Fragen, sondern geben dir auch einen Leitfaden mit an die Hand, wie du die Arbeitszeiterfassungspflicht im Vertrauensarbeitszeitmodell integrierst.

 

Disclaimer: Alle Informationen auf den Seiten dieser Website dienen der allgemeinen Information. Sie stellen keine Rechtsberatung im Einzelfall dar, können und sollen diese auch nicht ersetzen.

Deine wichtigsten Fragen im Überblick

Was für viele im ersten Moment wie ein Widerspruch klingt, ist in Grunde das Gegenteil. Denn der Kern von Vertrauensarbeitszeit – die freie Bestimmung von Arbeitszeiten – bleibt durch die Arbeitszeiterfassung unberührt. Zeiterfassung überwacht nicht, sondern legt Fakten offen und kann somit im besten Fall für zu mehr Vertrauen zwischen Arbeitgeber & Mitarbeitenden führen. 

Aktuell gibt es noch kein konkretes Gesetz zur Arbeitszeiterfassung, aber eine von Bundesarbeitsgericht ausgerufene Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Der erste Gesetzesentwurf für eine elektronische Zeiterfassung wird zurzeit im Bundestag diskutiert. 

Was ist Vertrauensarbeitszeit?

Die Vertrauensarbeitszeit ist eins derbeliebtesten Arbeitsmodelle. Ihre Schlüsseleigenschaft: Mitarbeitende teilen sich ihre Arbeitszeit selbst ein. Wichtig ist nur, dass sie die vorgesehenen Aufgaben erledigen – wann sie mit der Arbeit anfangen und wann sie diese beenden, ist ihnen überlassen. Der Arbeitgeber vertraut darauf, dass sie ihre täglichen Arbeits- und Pausenzeiten einhalten, die im Vertrag und in den Tarifrichtlinien festgelegt werden. Die genauen täglichen Arbeitszeiten müssen auch nicht mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden.

Die eigenverantwortliche Arbeitsgestaltung bei der Vertrauensarbeit zieht sich häufig durch alle Bereiche des Arbeitsalltags. So sind in der Regel keine Anwesenheitspflichten vorgegeben. Häufig können die Beschäftigten ihren Arbeitsort selbst bestimmen und erhalten eine Möglichkeit zum Vertrauensurlaub.

Wie wird die Arbeitszeit bei Vertrauensarbeit organisiert?

Meistens gibt es bei der Vertrauensarbeitszeit keine Kernarbeitszeit. Allerdings können Arbeitgeber einen Zeitkorridor angeben, innerhalb dessen Mitarbeitende ihre Arbeitszeit frei gestalten können (z. B. jeden Tag von 6 Uhr bis 22 Uhr).

Gibt es eine Überstundenregelung bei Vertrauensarbeitszeit?

Im Vergleich zu anderen Modellen werden bei Vertrauensarbeitszeit die Überstunden nicht ausbezahlt oder durch Freizeit ausgeglichen. Vielmehr pendelt sich die Arbeitszeit durch kürzere Tage wieder auf ein normales Niveau ein. 

Der Betriebsrat kann den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit mitbestimmen. Auch bei den Pausen und der Verteilung von Arbeitszeit kann er mitentscheiden. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat darüber informieren, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit überschritten wird. Der Betriebsrat kann diese aber auch verbieten.

Wieso ist die Vertrauensarbeitszeit so beliebt?

Die Vertrauensarbeitszeit hat viele Vorteile, sowohl für Arbeitnehmende, als auch für Arbeitgeber. Dies sind einige von ihnen: 

 

Höhere Arbeitgeberattraktivität

Mit der Vertrauensarbeitszeit schenken Arbeitgeber Mitarbeitenden mehr Flexibilität, was den Arbeitsalltag entzerrt und eine bessere Work-Life-Balance ermöglicht. So erhalten auch Angestellte mit Kindern oder Pflegeverpflichtungen die optimalen Voraussetzungen für eine produktive Arbeit. Aber auch bei der jungen Arbeitnehmergeneration sind flexible Arbeitszeiten beliebt. Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels, in denen Bewerber die Wahl zwischen mehreren Unternehmen haben, können flexible Arbeitszeiten der entscheidende Punkt für oder gegen einen Arbeitgeber sein.

Höhere Mitarbeiterproduktivität

Wenn Mitarbeitende ihre Arbeitszeit selbst gestalten können, sind sie zufriedener und produktiver. In diesem Blogbeitrag erfährst du, wie du die Produktivität deiner Mitarbeitenden weiter steigern kannst: So steigerst du die Produktivität deiner Mitarbeitenden: 12 Tipps für Arbeitgeber.

Auffangen von Auftragsschwankungen

Durch Vertrauensarbeitszeit passt sich die Arbeitszeit optimal der Auftragslage an. Leerlauf wird durch Freizeit verhindert und bei mehr Aufträgen können Mitarbeitende längere Arbeitsblöcke einlegen.

 

Warum werden jetzt Arbeitszeiten erfasst?

Wenn die Vertrauensarbeitszeit so ein tolles Modell ist, warum müssen wir dann Arbeitszeiten erfassen?

Im Mai 2019 hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass alle europäischen Mitgliedsstaaten so bald wie möglich ein Gesetz zur Zeiterfassung verabschieden müssen. Es soll alle Unternehmen dazu verpflichten, die Zeiten ihrer Mitarbeitenden zu erfassen. 
Grund dafür ist, dass Arbeitgebende ohne eine Zeiterfassung ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkommen können: Arbeitgebende sind dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass gesetzliche Regelungen des Arbeitsschutzes und des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden. Doch wenn Arbeitszeiten nicht erfasst werden, kann dies nicht nachvollzogen werden. 

Deshalb rief das Bundesarbeitsgericht im September 2022 die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus. Ein verabschiedetes Gesetz zur Arbeitszeiterfassung gibt es in Deutschland heute noch nicht. 

Alle Details zum aktuellen Gesetzesentwurf zur Zeiterfassung findest du hier. 

 

Wie können Vertrauensarbeitszeit und Zeiterfassung miteinander funktionieren?

Vertrauensarbeitszeit baut, wie der Name schon sagt, auf Vertrauen auf. Es muss von beiden Seite eine Vertrauensbasis bestehen, damit gewissen Pflichten nachgegangen wird. Doch auf rechtlicher Ebene reicht Vertrauen nicht. Das muss aber nicht bedeutet, dass statt Vertrauen nun Kontrolle einzieht. 

Es muss lediglich sichergestellt werden, dass folgende gesetzlich Vorgaben eingehalten werden:

 

Pausenzeiten 

Arbeitnehmenden steht eine gesetzliche Pause ab sechs Stunden Arbeitszeit am Stück zu. Sie muss mindestens 30 Minuten betragen und darf nur auf zweimal 15 Minuten geteilt werden. Ab neun Stunden muss sogar eine Pause von 45 Minuten gemacht werden. Bei Minderjährigen sieht das etwas strenger aus. Eine Übersicht erhältst du hier.

 

Ruhezeiten 

Auch das Thema Ruhezeit darf nicht unterschätzt werden. Die Ruhezeit unterscheidet sich von der Pausenzeit, in dem sie zwei Arbeitseinsätze voneinander trennt. Sie muss mindestens 11 Stunden am Stück betragen. Nur im Rahmen von Rufbereitschaft in Krankenhäusern kann diese Regelung abweichen. Genaueres zur Ausnahme findest du hier. 
 

Höchstarbeitszeit

Gesetzlich ist eine Höchstarbeitszeit von acht Stunden vorgeschrieben. Sie darf ohne einen besonderen Grund auf bis zehn Stunden erhöht werden, muss allerdings mit einem folgenden verkürzten Arbeitseinsatz ausgeglichen werden. Lediglich auf der Führungsebene oder als Chefarzt kann diese Zahl nicht gelten. Mehr zur Höchstarbeitszeit erfährst du hier. 
 

Sonn- und Feiertagszeit 

Grundsätzlich darf an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen nicht gearbeitet werden! Allerdings gibt es Branchen, in denen es doch erlaubt ist. Das sind: 

  • Pflegepersonal in Krankenhäusern oder Betreuungseinrichtungen
  • Not- und Rettungsdienste
  • Feuerwehr
  • Gastronomie
  • Wasser- und Energieversorgung
  • Verkehrsbetriebe
  • Nachrichtenagenturen und Presse
  • Landwirtschaftsbetriebe
  • Betriebs- und Anlagenbewachung


Was in diesen Branchen bei der Sonn- und Feiertagsarbeit beachtet werden muss, erfährst du hier.

Zeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit – (k)ein Widerspruch?

Nach dem EuGH-Urteil sorgen sich viele Arbeitgeber darum, die Vorteile von Vertrauensarbeitszeit zu verlieren. Manche sprechen regelrecht vom Tod der Vertrauensarbeitszeit und der Rückkehr der Stechuhr. Allerdings sind solche drastischen Auswirkungen nicht zu erwarten. Zeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich sogar. Denn der Kern von Vertrauensarbeitszeit – die freie Bestimmung von Arbeitszeiten – bleibt durch die Arbeitszeiterfassung unberührt. Die Zeiterfassung hat sogar einige Vorteile: 

 

Transparenz 

Arbeitgeber und Mitarbeitende haben jederzeit einen Überblick über die geleisteten Arbeitsstunden. So werden Überstunden direkt sichtbar und können ausgeglichen werden – damit es nicht zu einer Situation wie beim Emdener Urteil kommt.
 

Genauigkeit

Mit digitaler Projektzeiterfassung können Arbeitgeber direkt einsehen, wie viele Stunden für bestimmte Aufgaben aufgewendet wurden. So können minutengenaue Abrechnungen für die Kunden erstellt werden.
 

Prozessoptimierung

Wenn Arbeitgeber genau nachvollziehen können, welche Aufgaben wie viel Zeit benötigen, können sie realistische Aufwandsschätzungen erstellen. Langsame oder unnötige Prozesse fallen auf und können optimiert werden.
 

Konstante Arbeitszeit

Zeiterfassungssysteme berechnen die gesetzlichen, tariflichen oder betrieblichen Arbeitszeiten und zeigen ausgehend davon die verbleibenden Plus- und Minusstunden auf. So pendelt sich die Arbeitszeit regulär ein – konstante Über- oder Unterschreitung von Arbeitsstunden wird verhindert. Das schützt nicht nur die Gesundheit der Mitarbeitenden, sondern sorgt auch für eine höhere Fairness, da alle Beschäftigten gleich viel arbeiten.
 

Vertrauensstärkung

Zeiterfassung für Mitarbeiter soll das Vertrauen stärken – für viele klingt das auf den ersten Blick wie ein Widerspruch. Schließlich wird Zeiterfassung mit Überwachung assoziiert. Allerdings ist eher das Gegenteil der Fall. Auch Mitarbeitende sehen den Vorteil der Transparenz, der mit Zeiterfassung einhergeht.


Voraussetzung dafür ist, dass Arbeitgeber die Einführung des Systems einfühlsam begleiten und deutlich kommunizieren, wie die Angestellten davon profitiren können. Zeiterfassung überwacht nicht, sondern legt Fakten offen. Auf diese Weise kann sie das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden fördern.

 

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